Blühende Wiesen werden überall in unserer Landschaft zunehmend seltener, in vielen Landstrichen gibt es abseits der Straßenränder bereits gar kein blumenreiches Grünland mehr – einer der Hauptgründe für den allgemeinen Insektenschwund. Viele Naturfreunde sinnen da auf Abhilfe im Kleinen und wollen auf dem eigenen Grund und Boden dem Schwund ein wenig gegensteuern. Die Saatgutindustrie hat diesen Trend erkannt und wenn man derzeit in den Gartenmärkten die Ständer und Regale mit Samentütchen ansieht, dann stechen sie wieder ins Auge – die kunterbunten Tütchen mit verheißungsvollen Namen wie "Schmetterlingswiese", "Insektentreff", "Insektenwiese", "Blumenwiese Insekten" oder "Wildblumenwiese". Aber tut man den Insekten wirklich etwas Gutes, wenn man solche Mischungen kauft und aussät? Um es vorweg zu nehmen: Der Nutzen solcher Saaten für die einheimischen Insekten ist bescheiden bis gering!
Der Grund dafür ist, dass in diesen Mischungen zwar viele bunte Blumen enthalten sind, die meisten davon aber weder einheimisch noch wiesentauglich sind. Wer eine solche Mischung aussät, der sät keine Wiese, sondern ein ungeordnetes Blumenbeet (fast) ohne wilde Blumen. Man findet zur Blütezeit vor allem nichteinheimische einjährige Zierblumen wie das Marokkanische Leinkraut in vielen Farbvarianten, den Wegerichblättrigen Natternkopf und das Strand-Silberkraut aus dem Mittelmeerraum, den Bienenfreund und das Schmuckkörbchen aus Amerika sowie viele weitere Exoten und dazu noch Gewürzkräuter wie Dill, Koriander und Boretsch. Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier eher die Reste aus der Samenproduktion vermarktet werden sollen, als dass jemand mit Sinn und Verstand eine Mischung zusammengestellt hätte, die die heimischen Insekten zu fördern im Stande wäre. Selbst die immer beigemischten einheimischen Ackerarten - Klatschmohn und Kornblume - sind meist nur als Zuchtformen enthalten, oft mit gefüllten und von der Farbe der Wildpflanzen abweichenden Farbvarianten.
Solche Blumenmischungen können unspezialisierten und ohnehin häufigen Insekten zwar durchaus als Nektarquellen dienen, doch das können in Beeten und Rabatten angepflanzte Sommerblumen nicht minder gut - oder sogar besser, sofern man für die Beete entsprechende Arten gezielt ausgewählt hat. Und eine natürliche Blumenwiese ist ja überdies nicht nur als Nektarquelle von Belang, vielmehr sind die einheimischen Pflanzenarten einer artenreichen Wiese auch Nahrungsbasis für eine Vielzahl oft hochspezialisierter pflanzenfressender Insekten, die mit den Exoten aus den Saatblumenmischungen in aller Regel wenig anzufangen wissen.
Die meisten der in den Mischungen enthaltenen Blumen haben überdies einen einjährigen Entwicklungszyklus und überleben eine Mahd nicht. Wirklich einheimische Wiesenblumen sind in den Samentütchen kaum enthalten, meist beschränkt sich das auf wenige Arten wie Margeriten, Wiesensalbei, Wilde Möhre oder Bocksbart, wobei deren Saatgut bei bundesweit angebotenen Standardmischungen natürlich auch nicht regionalen Ursprungs sein kann. Dringend gewarnt werden muss davor, solche Samenmischungen außerhalb von Gärten auszubringen, was in durchaus gut gemeinter Absicht leider immer wieder geschieht. Auch wenn sich die meisten der exotischen Arten in der freien Landschaft nicht für längere Zeit halten können, so besteht doch potentiell immer die Gefahr, invasive Neophyten freizusetzen - und eine Florenverfälschung ist es allemal!
Wenn Sie eine echte und artenreiche Wildblumenwiese anlegen möchten, die einen dauerhaften und nachhaltigen Nutzen für Insekten mit sich bringt, dann sollten Sie auf derartige Samenmischungen aus dem Bau- oder Supermarkt kategorisch verzichten und stattdessen eine auf Ihre Region abgestimmte Samenmischung von den wenigen darauf spezialisierten Gartenbaubetrieben bestellen, welche VWW-zertifizierte Wildblumen aus gesicherter regionaler Herkunft anbieten. Man findet solche Anbieter im Internet. Damit es im ersten Jahr bereits "nach etwas aussieht", sind zwar auch bei diesen Mischungen oft Klatschmohn und Kornblumen beigemischt, aber sonst beinhalten sie ausschließlich gebietseigene Wiesenarten, von denen sich je nach Nährstoffangebot, Bodenbeschaffenheit und Feuchteverhältnissen an dem einem Ort eher die einen und an einem anderen Ort eher die anderen dauerhaft durchsetzen werden. Eine solche Wiese macht wenig Arbeit. Sie muss lediglich zweimal im Jahr insektenschonend mit Sense oder Balkenmähgerät geschnitten werden und das Schnittgut sollte unbedingt entfernt werden. Den ersten Mahdtermin sollte man auf die Zeit legen, wenn die Samen der ersten Blüte reif sind, die zweite Mahd sollte vor dem Winter erfolgen, wobei man kleine, jahrweise wechselnde Bereiche, als Überwinterungsort für Insekten über den Winter stehen lassen sollte.
Biologische Station Kreis Wesel und Krefeld e.V. · Freybergweg 9 · 46483 Wesel
Tel.: 02 81 - 9 62 52 0 · Mail: info(at)bskw.de