Biologische Station Kreis Wesel und Krefeld e.V.

Biologische Station Kreis Wesel und Krefeld e.V.

Wir engagieren uns für die Natur.



LVR-Netzwerk Kulturlandschaft


Investitionen in Natur und Umweltschutz

Kulturhistorische Offenlandbiotope

Der Kreis Wesel als Teil des Unteren Niederrheins beherbergt eine der ältesten Kulturlandschaften Deutschlands. Schon die Römer begannen etwa 100 n. Chr. zeitgleich mit der Gründung der Colonia Ulpia Traiana, dem heutigen Xanten, mit der Urbarmachung der von der Eiszeit glatt geschliffenen und vom Rhein geprägten Landschaft.

Die heute sichtbare Kulturlandschaft entstand freilich nicht zur Zeit der Römer sondern entwickelte sich nach Ende der Reformationskriege, als fortschreitende Technik und immer besseres Wissen auch die Nutzung von bis dato „Unland“ ermöglichte. Wälder wurden gerodet oder derart übermäßig beansprucht, dass sich Heiden oder Magerrasen etablierten. Moore und Sümpfe wurden entwässert und anschließend in Weide- und Futterflächen für das Milchvieh umgewandelt; im Umfeld der Dörfer entstanden Obstwiesen, die Vieh und Menschen Nahrung boten.

Foto: Panorama vom Sandmagerrasen am Loisberg

Diese kulturhistorischen Offenlandbiotope bieten speziell angepassten Tieren und Pflanzen Lebensräume und sind ein wesentlicher Grund dafür, dass der Kreis Wesel ein Hotspot der Artenvielfalt in NRW ist. Die Biologische Station hat sich zum Ziel gesetzt, möglichst viele dieser Kleinode zu erhalten und wird dabei vom Kreis Wesel und vom LVR unterstützt. In einem vom 2023 und 2024 geförderten Projekt wurden dafür wichtige Grundlagen geschaffen und vier Ziele verfolgt:

  • Ein Kataster der kulturhistorischen Offenlandbiotope
  • Die Dokumentation der Artenvielfalt innerhalb dieser Offenlandbiotope
  • Die Beschreibung von 20 für den Kreis Wesel repräsentativen Offenlandbiotopen
  • Ein Konzept zur Erhaltung der wichtigsten Typen von Offenlandbiotopen

Eine erste Zusammenschau der kulturhistorischen Offenlandbiotope im Kreis Wesel ergab zunächst etwa 1.100 Objekte. Hieraus hat die Biologische Station gut 200 Flächen mit historischer Landnutzung ausgewählt und in fünf Gruppen unterteilt:

Kategorie Wesentliche Biotoptypen Biotope Teilflächen
Heide Feuchte und trockene Heiden, tlw. mit Zwergsträuchern 25 43
Sandmagerrasen Silikattrockenrasen, teilw. mit etwas Heide 16 27
Flachlandmähwiesen Magergrünland 13 13
Feuchtgrünland Nass- und Feuchtwiesen/-weiden, flutrasen, teilw. verbracht 57 57
Streuobst-Wiesen ... und -Weiden 64 85
Gesamt 175 225

Die Differenzierung der Biotope untereinander ist mitunter schwierig, da es fließende Übergänge gibt. So ist der Übergang von trockenem zu Magerrasen oft fließend und so manche Flachlandmähwiese hat eine feuchte Ausprägung. Kulturhistorisch war Feuchtgrünland meist Weideland. In der Gegenwart werden aber zahlreiche ehemalige Weiden als Wiese bewirtschaftet.

Foto: Sandmagerrasen Foto: Mähwiese Foto: Obstwiese

137 der 225 Teilflächen liegen innerhalb eines Naturschutzgebietes, das heißt 40% der kulturhistorischen Offenlandbiotope liegen außerhalb dieser Schutzgebiete. Besonders hervorzuheben sind hier die Streuobstwiesen. Auch die Verteilung innerhalb der Kommunen ist sehr unterschiedlich. Es gibt ein Gefälle von Nord nach Süd und von Ost nach West. Fast die Hälfte der Flächen liegen in den drei Kommunen Hamminkeln, Schermbeck und Hünxe.

Aus den gut 200 Offenlandbiotopen wurden anschließend 20 Referenzflächen (je 4 der o. g. Biotope) für ein entomologisches und floristisch/vegetationskundliches Monitoring ausgesucht. Das Monitoring erfolgte dreimal während der Vegetationsperiode: Im Frühling, Sommer und Herbst. Es lehnte sich methodisch an das bundesweite Insektenmonitoring an, welches auch in NRW Anwendung findet. Eine gute Übersicht findet sich in Natur in NRW Heft 3 2023.

Insbesondere wurden Insekten mit Malaise- und Boden-Fallen gefangen und die Proben mittels DNA-Metabarcoding ausgewertet. Dr. Jürgen Esser (Büro für Freilandökologie) unterstütze die Biologische Station bei der Auswertung und glich die ermittelten DNA-Sequenzen mit der BOLD-Datenbank (Barcode of Life Data System) ab. Besonderer Vorteil: Auch die Arten, deren DNA heute noch nicht bekannt ist, sind erfasst. Sollte ihre DNA-Sequenz später dokumentiert werden, können Zeitreihen auch rückwirkend betrachtet werden.

Foto: Malaisefalle Foto: Luftbild

Zusätzlich zu den faunistischen und floristischen Untersuchungen erfolgte eine bildliche Dokumentation der Referenzflächen, speziell um die Vegetation für spätere Vergleiche aus der Vogelperspektive zu erfassen. Hierbei kam eine Drohne zum Einsatz.

In der Summe wurden gut 55.000 Nachweise von 6.712 Arten erfasst, darunter zahlreiche gefährdete Arten und auch einige interessante Säugetiere, deren DNA wohl auf indirektem Wege in die Fallen geriet.

Artengruppe Anzahl Nachweise Arten insgesamt bestimmt bis zur Art bestimmt bis zur Gattung
Insekten 52.068 5.894 2.602 3.292
"Nicht-Insekten" 2.949 651 321 330
Pflanzen - 167 165 2
Gesamt 55.017 6.712 3.088 3.624

Foto: Frühlingshungerblümchen Foto: Kleines Nachtpfauenauge Foto: Hügel-Vergissmeinnicht

Das erworbene Wissen wurde prompt angewandt, um für jede Gruppe der Offenlandbiotope ein Erhaltungskonzept zu entwickeln. Ein wichtiger Aspekt hierbei war der Austausch mit anderen Biologischen Stationen. Neben Fragen wie Aufwand, Wirtschaftlichkeit und Personalbedarf wurde evaluiert, inwieweit sich alte Haustierrassen für die Bewirtschaftung eignen. Diese Gespräche halfen sehr, ein Verständnis für die Schwierigkeiten zu bekommen, mit denen die Betriebe konfrontiert werden, die wunschgemäß bewirtschaften.

Foto: Kühe auf einer Wiese

Dank engagierten Untersuchungen durch das Team der Biologischen Station, der Unterstützung von Dr. Jürgen Esser sowie der Förderung durch den LVR und den Kreis Wesel gibt es nun eine sehr gute Datengrundlage zu den kulturhistorischen Offenlandbiotopen. Die Ergebnisse der Untersuchungen bestätigen die hohe Bedeutung der kulturhistorischen Landnutzung für die Artenvielfalt im Rheinland. Die vielen geführten Gespräche helfen beim gegenseitigen Verständnis aller, die am Erhalt der kulturhistorischen Offenlandbiotope beteiligt sind.

Ziel ist es, das Monitoring nach 10 Jahren zu wiederholen, um die Entwicklung der Biotope und die Wirkung der Maßnahmen zu deren Erhalt besser beurteilen zu können.

Biologische Station Kreis Wesel und Krefeld e.V. · Freybergweg 9 · 46483 Wesel
Tel.: 02 81 - 9 62 52 0 · Mail: info(at)bskw.de